Freiämter Wanderschäfer streitet mit dem Veterinäramt um seine Herde
Am 16. Juli nahm das Veterinäramt Emmendingen einem Wanderschäfer in Freiamt seine Herde ab. Der Vorwurf: Erhebliche Verstöße gegen den Tierschutz. Der Schäfer wiederum fühlt sich ungerecht behandelt und will seine Schafe und Ziegen zurück. Daraus ist ein Rechtsstreit geworden. Die ET-Redaktion hat die beiden Sichtweisen gegenübergestellt.
„Erhebliche Tierschutzverstöße“
Warum das Veterinäramt dem Wanderschäfer seine Tiere abgenommen hat
Zu Beginn vergangenen Monats hatten gleich mehrere Anzeigen aus der Freiämter Bevölkerung die Aufmerksamkeit des Veterinäramtes auf den dortigen Wanderschäfer gelenkt. Auf seinem Instagram-Kanal postete der Mann ein gänzlich schwarzes Bild. Darunter war der Kommentar „Alles hat ein Ende“ aufgeführt. Daraufhin sorgten sich einige der Follower um den Gesundheitszustandes des Schäfers und damit verbunden auch um den Zustand der Herde. Schon zuvor hatte der Mann über das Internet immer wieder Spendenaufrufe gestartet, um beispielsweise Tierarzt-Rechnungen begleichen zu können.
Am 10. Juli stattete das Veterinäramt, das zum Landratsamt Emmendingen gehört, der Herde des Wanderschäfers in Freiamt daher einen Kontrollbesuch ab. Laut Markus Fix, Pressesprecher des Landratsamtes, hätten die Beamten bei dem Termin „tote Tiere in unterschiedlichen Verwesungsstadien vorgefunden“. Allgemein hätten sich die 130 Schafe und Ziegen in einem „schlechten und tierärztlich dringend behandlungsbedürftigen Allgemeinzustand“ befunden. Eines der Schafe sei noch während der Kontrolle verendet. Den Wanderschäfer selbst habe die Behörde bei dem Besuch nicht angetroffen.
Einen Tag darauf, also am 11. Juli, rückte das Veterinäramt dann ein zweites Mal an. Laut Markus Fix hätten die Mitarbeiter bei diesem Termin auf der Weide erneut tote Tiere entdeckt. Diesmal sei der Schäfer aber hinzugekommen. Angesichts des Zustandes der Herde habe man ihn mit Auflagen konfrontiert. Auferlegt hätten ihm die Beamten mehrere konkrete Maßnahmen – nämlich ausreichend Wasser, dem Scheren der Schafe und einer tierärztlichen Behandlung der kranken Tiere. Nur: bei einem weiteren Besuch des Amtes zwei Tage später, also 13. Juli, habe sich der Zustand der Schafe und Ziegen nicht wesentlich gebessert. Wieder seien tote Tiere aufgefunden worden – teils verhungert und verdurstet, teils von Schädlingen zerfressen.
Am 16. Juli griff das Veterinäramt schließlich durch. Wegen „erheblicher Tierschutzverstöße“ veranlasste die Behörde kurzerhand die Fortnahme der Herde. Begleitet wurde die Maßnahme von Polizeibeamten der Direktion Gewerbe/Umwelt. Die 117 Schafe (davon 35 Lämmer) und 13 Ziegen kamen zu einem anderen Landwirt in eine Nachbargemeinde. Zudem sprach die Behörde dem Wanderschäfer gegenüber ein Ziegen- und Schafe-Haltungs- und Betreuungsverbot aus. Damit war klar, dass der Mann seine Tiere verkaufen muss. Ein Nutztierhaltungsverbot wird seitens des Veterinäramtes gerade geprüft.
Gegen den Wanderschäfer laufen mittlerweile polizeiliche Ermittlungen. Darin dürfte hauptsächlich geprüft werden, ob und wie sehr der Schäfer für den Tod der Tiere verantwortlich ist. Handelt es sich noch um eine Ordnungswidrigkeit oder schon um eine Straftat? Letztere könnte eine Haftstrafe nach sich ziehen. Bezüglich des aktuellen Standes hält sich das Veterinäramt mit Informationen zurück. „Wir befinden uns im laufenden Verfahren und die Kommunikation verläuft über die anwaltliche Vertretung des Tierhalters“, schrieb Amtsleiterin Dr. Babette Bisang am Montag auf Anfrage der Redaktion. Daniel Gorzalka
„Innerhalb einer Woche habe ich alles verloren“
Der Wanderschäfer fühlt sich ungerecht behandelt und will seine Herde zurück
Seit 2023 zieht der Wanderschäfer, der in den französischen Alpen geboren und aufgewachsen ist, mit seiner Herde durch Freiamt. Als er vor zwei Jahren in der Gemeinde ankam, sei er „mit offenen Armen aufgenommen“ worden. In diesem Sommer sei die Stimmung umgeschlagen. Er habe anonyme Briefe mit Anschuldigungen erhalten und sei mehrfach angezeigt worden. Der 36-jährige, der schon als Kind in seiner Heimat mit einer Schafherde unterwegs war, verstehe die Welt nicht mehr.
Anfang Juli, mitten in der Hitzewelle, sei der Schäfer krank gewesen. Ab dem 3. Juli habe er deswegen mehrmals seinen Hausarzt konsultiert. Dieser habe ihn jedoch nicht behandeln können, da er selbst erkrankt war. „Trotzdem habe ich mich so gut wie möglich um meine Herde gekümmert“, blickt er zurück. Am 6. Juli seien leider mehrere Tiere gestorben, darüber habe er das Veterinäramt am 8. Juli per E-Mail informiert. „Dass Tiere in einer Herde sterben, ist normal. Dennoch habe ich meine grundlegende Besorgnis gegenüber dem Veterinäramt mitgeteilt und auf Unterstützung gehofft“, verweist er auf eine weitere Nachricht tags drauf. Anstatt Hilfe habe er jedoch nur unzureichende Antworten erhalten. Am 10. Juli sei plötzlich eine Kontrolle der Herde veranlasst worden. Ohne seine Anwesenheit seien tote Tiere entsorgt sowie Blut- und Stuhlproben entnommen worden. „Bisher liegen mir keine konkreten Untersuchungsergebnisse vor, falls es überhaupt welche gibt“, so der Schäfer.
Tags darauf sei das Veterinäramt wieder vor Ort gewesen. Den dabei formulierten Auflagen sei Wanderschäfer nachgekommen. Ein Tierarzt habe sich am 11. Juli die Herde angeschaut und ebenso wie er selbst vermutet, dass die erkrankten Tieren die Blauzungenkrankheit hätten. Verschrieben worden seien ein allgemeines Antibiotikum und ein Schmerzmittel. „Am 12. Juli habe ich zudem einen professionellen Schafscherer engagiert, der die ganze Herde an diesem Tag geschoren hat“, führt der Mann aus. Damit sei die vorgegebene Frist eingehalten worden. Dass seine Tiere nicht ausreichend mit Wasser versorgt worden wären, entspreche nicht den Tatsachen. Die Kontrollen der Behörde seien früh morgens durchgeführt worden. Der Schäfer verbringe aber nicht Tag und Nacht bei seiner Herde. Nachts werde die Herde von zwei Herdenschutzhunden in einem elektrifizierten Gehege bewacht. Bevor er abends geht, fülle er die Tränke auf. Somit sei er „sicher, dass die Tiere die Tränke nachts fast leergetrunken haben“.
„Ich habe bei null angefangen und mir innerhalb von fünf Jahren eine eigene Schafherde aufgebaut. Und nun stehe ich vor dem Aus. Meine Herde war meine Existenz und mein Leben, für die ich jeden Tag unermüdlich mit Leib und Seele gesorgt und abends noch in einem Gastronomiebetrieb gearbeitet habe, um die anfallenden Rechnungen bezahlen zu können“, spricht der Wanderschäfer der Behörde jeglichen Willen zu einer konstruktiven Zusammenarbeit ab. Er sei gezwungen worden, seine Schafe und Ziegen zu verkaufen. „Ich werde nicht aufgeben, ich will meine Herde zurück“, sagt er. Er werde anwaltlich vertreten und habe im Internet eine Petition ins Leben gerufen. „Für die 130 Tiere erhielt ich gerade Mal den Fleischpreis“, verrät er. Seine ehemalige Herde grast jetzt in Sexau. Thomas Gaess