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Forensische Abteilung des ZfP hat einen Neubau bekommen

Nach langer Bau- und Wartezeit ist der Neubau im ZfP-Gelände nun fertig gestellt, ohne Gitter an den Fenstern, aber dennoch mit ausgeklügeltem Sicherheitssystem. Das moderne Gebäude bietet den Patienten mehr Rückzugs- und Therapiemöglichkeiten.

Wer in Emmendingen lebt oder aufgewachsen ist, kennt die vergitterten Gebäude im oberen Bereich des weitläufigen ZfP-Grundstücks nur allzu genau. Hier ist die Forensische Psychiatrie und hier sind psychisch kranke Straftäter untergebracht. Ihre Freiheiten sind stark begrenzt, und dennoch ist diese Abteilung kein Gefängnis, sondern Teil der Klinik.

Nach jahrelangem Ringen mit Vorgaben und Denkmalschutzamt konnte schließlich ein neues Gebäude für diese Abteilung 29 umgesetzt werden. 2019 gab es die erste Bauvoranfrage, im Juli 2023 der erste Spatenstich, und nun kann es nach 20 Monaten Bauzeit – wegen technischer Mängel hatte sich die Bauabnahme verzögert – im Oktober bezogen werden. Das Flachdach des neuen Gebäudes wurde notgedrungen in Kauf genommen, damit die Höhe mit zwei Geschossen eingehalten werden konnte. „Der Krisen- und Sicherheitsbereich benötigte dringend eine Verbesserung“, bekräftig Ralf Zehnle, der Medizinische Direktor Forensik des ZfP Emmendingen. Gerade Patienten, die in einer „Dauerkrise“ sind, mit schweren Verhaltensauffälligkeiten, brauchen Rückzugsmöglichkeiten. Bisher gab es die kaum, die Patienten sind in den alten Gebäuden, die 1897 gebaut wurden, in Drei- bis Vierbettzimmern untergebracht. Zudem fehlt es an Therapieräumen. Das neue Gebäude soll das nun ändern, zumindest für zwölf dieser Patienten – darunter eine Frau –, deren schubweises aggressives Verhalten anderen gefährlich werden kann.

Um die Sicherheit für die Allgemeinheit und auch für die Pflegekräfte sowie das ärztliche Personal zu gewähren, gleicht dieser Neubau, ohne dass man es sieht, einem Hochsicherheitstrakt. Statt Gitter haben die großen Fenster spezielles Sicherheitsglas, eine garagenähnliche Einfuhrschleuse garantiert sicheren Patiententransport, alle Sicherheitstüren schließen doppelt, mechanisch und elektromagnetisch, und es lässt sich jeweils nur eine neue Tür öffnen, wenn die vorhergehende geschlossen ist.

Wichtig war den Planern auch die Nähe zum bestehenden Gebäude der Forensischen Psychiatrie, denn wenn ein Patient extrem verhaltensauffällig wird, braucht es acht bis zehn Pflegekräfte, um ihn wieder unter Kontrolle zu bringen, und die müssen dann rasch zur Stelle sein. Auch deshalb gibt es eine kleine, geschlossene „Verbindungsbrücke“ vom neuen Gebäude hinüber zum alten, die zudem genutzt wird, um den Patienten, die oft viele Monate oder sogar Jahre hier verbringen, täglich für ein paar Stunden den Aufenthalt im eingezäunten Bereich im Freien zu ermöglichen.

Ein Ergotherapieraum bietet den Patienten die Möglichkeit, zu Malen oder zu Basteln, denn gerade für Patienten mit „ausgeprägten Beziehungsstörungen“ sind kleine Gruppenarbeiten wichtig, erläutert  Ralf Zehnle. Besonders Menschen mit schizophrener Erkrankung könnten oftmals höchstens eine Stunde an einer Aufgabe dran bleiben, so Zehnle. Auch der „Beziehungsbereich“, die Thomas Beck auch schmunzelnd „Plauderecke“ nennt, wurde deshalb bewusst geschaffen. Hier können die Patienten miteinander ins Gespräch kommen oder eine Zeitung lesen, aber auch mit den Pflegekräften direkten Kontakt haben. Von hier aus geht es zu den drei Wohngruppen, in denen jeweils vier Patienten leben. Jeder hat ein eigenes Zimmer, das vom Patienten auch von innen verschlossen werden kann, wenn er sich zurückziehen möchte. Ausgestattet ist jedes dieser Zimmer mit fest verschraubten, offenen Regalen, Bett, Tisch und einem extra ultraschweren Plastikstuhl sowie einem Fernseher. Und jedes Zimmer hat eine eigene Dusche und Toilette. Außerdem hat jede WG einen Gemeinschaftsraum mit Sofa, Couchtisch und Fernseher (ausschließlich mit ausgewählten Sendern). Alle Räume sind absolut schalldicht. Thomas Beck, der schon seit vielen Jahren im ZfP arbeitet, beschreibt schmunzelnd den Standard dieser Zimmer so: „Als wenn man aus den Slums in ein Vier-Sterne-Hotel kommt“.

Im WG-Bereich gibt es einen vergitterten Balkon sowie auch ein verglastes Raucherzimmer mit separatem Abzug. Ein komplettes Rauchverbot in der Psychiatrischen Forensik hatte das Oberlandesgericht bereits vor Jahren abgelehnt, mit dem Argument, dass die Patienten bereits viele Einschränkungen auf sich nehmen müssten und ihnen deshalb das Rauchen nicht verwehrt werden dürfte, erklärt Ralf Zehnle.

Dann gibt es noch vier Isolierräume für Patienten in speziellen Krisensituationen, darunter einen Raum für Patienten mit körperlicher Behinderung. Die Ausstattung in diesem Zimmer ist minimalistisch, die offene Toilette im Zimmer untergebracht. Dennoch gibt es auch in einem dieser Räume eine „Medienwand“, mit einem eingebauten Computer-Bildschirm. Je nach Patientenverfassung können hier diverse Funktionen freigeschaltet werden. Mit Videokameras können diese Isolierräume überwacht werden, wobei die Aufnahmen nicht aufgezeichnet und die Patienten darüber informiert werden.

Eine Turnhalle mit extra hoher Decke für Basketball und einem speziellen Sportboden, der sogar in einzelnen Elementen auswechselbar ist, falls er mal zu Schaden kommt. Hier kann auch Hand- und Fußball gespielt oder Boxtraining absolviert werden.

Für die Sicherheitsplanung des Neubaus ist der langjährige Pflegedienstleiter und ZfP-Sicherheitsbeauftragte Thomas Beck zuständig. Wie durchdacht und ausgeklügelt das ganze Konzept ist, zeigt sich auch daran, dass es nicht nur ein eigens Notstromversorgungsnetzt gibt, sondern sogar die Klimaanlage, die 17.000 Kubikmeter Luft pro Stunde durch das Gebäude bläst, einen eigenen Akkuspeicher hat, auch bei Stromausfall also weiter arbeitet. Die Pflegekräfte können bei Bedarf für jedes Zimmer Strom und Wasser abschalten. Über Photovoltaik und Blockheizkraftwerk wird das Brauchwasser erhitzt, die Heizung wird durch Fernwärme gespeist. Insgesamt fünf Kilometer Datenkabel wurden verlegt und 13 Kilometer Elektrokabel sowie 22 Kilometer Rohre.

Für die Pflegekräfte gibt es einen separaten Zugang ins Gebäude, der Zutritt erfolgt über Gesichtserkennung. Künftig werden die Mitarbeitenden keine Gebäude-Schlüssel mehr mit nach Hause nehmen, wo sie versehentlich verlegt werden können, sondern in speziellen Schließfächern hinterlegen. Diese Fächer sind dienstplangesteuert, was bedeutet, wenn jemand einen freien Tag hat, käme er oder sie auch nicht an den Schlüssel ran.

Im neuen Gebäude gibt es auch eine Forensische Ambulanz mit eigener Medikamentenabteilung. Hier können entlassene Patienten während ihrer zumeist drei bis fünf Jahre währenden Nachsorgezeit vorbeikommen, um sich ihre verschriebenen Medikamente abzuholen. Tatsächlich gibt es in der Psychiatrischen Forensik des ZfP auch zwei Patienten, die nicht entlassen werden können, weil kein heim sie nehmen würde. Sie leben mit relativ vielen Freiheitsgraden dauerhaft im ZfP. Insgesamt, alle Gebäude und auch die offene Forensik zusammengenommen, gibt es in der  Emmendinger Psychiatrischen Forensik  250 Behandlungsplätze und insgesamt arbeiten hier 380 Personen. Barbara Breitsprecher