Gedenken an das Novemberpogrom: 80 Emmendinger stellten sich in die Umrisse der einstigen Synagoge
Früher Montagabend auf dem Emmendinger Schlossplatz. Die Umrisse der ehemaligen Synagoge wurden mit Kerzen zum Leuchten gebracht. Daneben stehen rund etwa 80 Menschen. Nachdenklich blicken sie in Richtung des Durchgangs beim Markgrafenschloss und lauschen den Worten, der Musik und dem Kaddisch.
Zum Schluss ergreift OB Stefan Schlatterer das Wort. Er bittet alle darum, die Fläche zu betreten, auf der einst das jüdische Gotteshaus stand. Die 80 Anwesenden kommen seinem Anliegen nach. Vorsichtig überqueren sie die Kerzen, verteilen sich innerhalb der Umrisse und halten zwei Minuten inne. Schweigend beobachten sie, wie die Vertreter der Stadt, der Jüdischen Gemeinde, des Vereins für jüdische Geschichte und Kultur sowie der Ortsvereine der SPD und der Grünen ihre Kränze niederlegen.
Am 9. und 10. November 1938 fanden in Deutschland die Novemberpogrome statt. Im ganzen Reich brannten die jüdischen Synagogen, Häuser, Friedhöfe und sonstigen Einrichtungen. Zudem wurden Juden gedemütigt, verhaftet, misshandelt und getötet. Die Aktionen hatte das Nazi-Regime bewusst gelenkt. Mit den Pogromen erreichten die Gewaltmaßnahmen gegen Juden eine neue Qualität. Tags darauf folgten erste Deportationen in Konzentrationslager.
In jenen Tagen wurde auch die Emmendinger Synagoge zerstört. Auf dem Schlossplatz legten SA-Leute und eine aufgehetzte Meute das jüdische Gotteshaus in Schutt und Asche. Davor entfachten sie ein Feuer, um das Inventar der Synagoge und des Gemeindehauses zu verbrennen. Zwei Jahre nach dem Pogrom wurden die 66 verbliebenen Emmendinger Juden ins Internierungslager nach Gurs in Frankreich verschleppt. Bis auf wenige Ausnahmen fanden sie dort oder später in Auschwitz den Tod.
„Ich habe vor Kurzem auf dem Friedhof in Gurs den Grabstein von Simon Veith besucht“, berichtete OB Stefan Schlatterer in seiner Ansprache. Er sei der letzte Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Emmendingen gewesen. In der Stadt habe er großes Ansehen genossen. Trotz der Warnung seines Sohnes sei er geblieben. „Er wollte nicht wahrhaben, dass seine Mitbürgerinnen und Mitbürger es zuließen, dass ihm und seiner Familie etwas zustoßen könnte, da er sich stets für das Wohl seiner Stadt eingesetzt hatte“, gab Schlatterer zu bedenken.
Und doch, den 89-jährigen ließ man in Gurs unter menschenverachtenden Lebensbedingungen elendig zugrunde gehen. Im September 1941 starb Veith vor Hunger und Kälte. „Wenn wir heute zusammenkommen, so tun wir das mit dem Bewusstsein, dass wir die Lehren ziehen müssen, dass wir die Erinnerung an diese schrecklichen Geschehnisse wachhalten müssen, damit sich solche Verbrechen im Sinne eines ‚Nie wieder!‘ niemals wiederholen“, so der OB.
Wortbeiträge steuerten zudem die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Olga Maryanovska („Leider erleben wir einen erschreckenden Anstieg des Antisemitismus“), der evangelische Pfarrer Gero Albert („Der Schutz von Minderheiten macht eine wehrhafte Demokratie aus“) und der Gemeinderabbiner Yaakov Yosef Yudkowsky („Wir fühlen uns in Emmendingen gut aufgehoben“) bei. Musikalisch begleitet wurde das Gedenken von Kulturpreisträger Frank Goos und seinem Ensemble. Daniel Gorzalka

