„Neuausrichtung dringend erforderlich“
Waldkirch. Die tiefgreifende Krise der Pflegeeinrichtungen hat nun auch St. Nikolai in Waldkirch erreicht. Der St. Nikolai-Spitalfonds Waldkirch hat am Montag, 28. Juli, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt. Das gab der Vorsitzende des Stiftungsrates, Waldkirchs Oberbürgermeister Michael Schmieder, bekannt.
„Die Stiftung befindet sich bereits seit mehreren Jahren in einer wirtschaftlichen Abwärtsbewegung. Wir sehen uns nicht mehr in der Lage, die drohende Zahlungsunfähigkeit des St. Nikolai-Spitalfonds auf anderem Wege als einem Insolvenzverfahren zu lösen“, erläutert Schmieder die Entscheidung und gibt folgenden Ausblick: „Die Sanierungsfähigkeit ist grundsätzlich gegeben. Wir haben bereits einen Zukunftsplan, ein Konzept und Maßnahmen für eine Neustrukturierung erarbeitet, die mehrere Komponenten und Akteure umfasst. Ziel der dringend erforderlichen Neuausrichtung ist es, den Betrieb auf eine professionelle Pflegebetreiberin zu übertragen, so dass wir die Pflegeplätze wie auch die Arbeitsplätze langfristig erhalten können.“
Das Amtsgericht Freiburg hat antragsgemäß entschieden und die beantragte, vorläufige Eigenverwaltung angeordnet. Zum vorläufigen Sachwalter wurde Rechtsanwalt Dr. Thorsten Schleich, Freiburg, ernannt. Bei der Eigenverwaltung bleibt die operative Unternehmensleitung – hier die Stiftungsleitung – im Amt. Sie besteht aus der Einrichtungsleitung, Andrea Tholey und der kaufmännischen Leitung, zuletzt interimistisch übernommen von Peter Jürges. Dipl.-Wirtschaftsingenieur Peter Jürges ist selbst Insolvenzverwalter am Amtsgericht Freiburg und übernimmt in der Eigenverwaltung die Aufgaben des Sanierungs- und Insolvenzgeschäftsführers (CRO).
„Suboptimale strategische Entscheidungen“
Als Hauptgründe für den Insolvenzantrag nennt Schmieder neben der allgemeinen Krise im Pflegebereich konkret „suboptimale strategische Entscheidungen in den vergangenen Jahren“. Als Beispiel führt er den Neubau in der Freiburger Straße an, der pflegerisch durch die Trennung von der Straße „sehr ungünstig“ sei. Ein weiterer Grund sei ein „massiver Sanierungs- und Instandhaltungsstau“ insbesondere im Wohnbereich, aber auch im Pflegebereich. Konkret verweist er hier auf die erforderlichen Investitionen im Bereich Brandschutz. Drittens gäbe es „defizitäre Wohnkonzepte und Dienstleistungsinvestitionen“.
Der komplette Geschäftsbetrieb des St. Nikolai-Spitalfonds wird normal fortgeführt. Die Juli-Gehälter aller Beschäftigten werden jedoch erst verzögert nach den ersten Augusttagen gezahlt werden können. Aufgrund der Regelungen zum Insolvenzgeld gehe den Mitarbeitenden nichts verloren, aber es trete eine laut Schmieder „unvermeidliche Verzögerung“ ein. „Uns ist selbstverständlich bewusst, dass diese Situation viele Sorgen, Fragen und Unsicherheiten mit sich bringt. Wir stehen zu unserer Verantwortung gegenüber allen Mitarbeitenden, den zu Pflegenden und allen Bewohnern“, erklärt Schmieder.
Die Insolvenz biete auch die Chance für einen Neuanfang: „Wir müssen die aktuelle organisatorische Struktur der Einrichtung mit Blick auf die derzeitigen politischen Rahmenbedingen zukunftsfähig aufstellen, damit wir die Wohn- Pflege- und Betreuungskapazitäten für Waldkirch und das ZweiTälerLand erhalten können.“ Die Stiftung unterstehe der Rechtsaufsicht des Regierungspräsidiums Freiburg und alle Schritte seien eng mit der Rechtsaufsicht sowie mit der Heimaufsicht des Landratsamtes Emmendingen abgestimmt.
Zweck: „Wohnung und Pflege geben“
Der St. Nikolai-Spitalfonds ist eine gemeinnützige Stiftung des öffentlichen Rechts mit Sitz in Waldkirch. Der Stiftungszweck liegt nach der 1988 verabschiedeten Satzung darin, alten Menschen Wohnung und Pflege zu geben und ihnen beizustehen, das Älterwerden zu meistern. Hierbei sind vorrangig Personen der Trägergemeinden zu berücksichtigen.
Die Stiftung St. Nikolai-Spitalfonds hat eine Stiftungsleitung und einen Stiftungsrat, die in engem Austausch stehen. Der Stiftungsrat besteht aus den gesetzlichen Vertretern der die Stiftung tragenden Gemeinden. Dies sind Elzach (BM Roland Tibi), Glottertal (BM Karl-Josef Herbstritt), Gutach i. Br. (BM Sebastian Rötzer), Heuweiler (bis 25. Juli GR Martin Weiner, ab 26. Juli BM Raphael Walz), Simonswald (bis 31. Mai BM Stephan Schonefeld, ab 1. Juni BM Britta Dohmen), Waldkirch (OB Michael Schmieder), Winden i. E. (BM Klaus Hämmerle). Vorsitzender des Stiftungsrates ist Oberbürgermeister Michael Schmieder, stellvertretender Vorsitzender des Stiftungsrates ist Bürgermeister Roland Tibi, die Heim- und Stiftungsleitung liegt in den Händen von Andrea Tholey. Interimistischer kaufmännischer Leiter des St. Nikolai-Spitalfonds ist Peter Jürges. Die Stiftung untersteht der Rechtsaufsicht des Regierungspräsidiums Freiburg.
Pflegeplätze und Einrichtungen
Der St. Nikolai-Spitalfonds verfügt über 108 vollstationäre Plätze, davon 3 Kurzzeitpflegeplätze in dem ursprünglichen Gebäudekomplex Freiburger Straße 4 (76 Plätze) und in einem Neubau von 2016 (Freiburger Straße 5, 32 Plätze, vom Ursprung getrennt durch eine Straße). Ergänzend unterhält St. Nikolai eine ambulant – primär von der Kirchlichen Sozialstation Waldkirch – versorgte angemietete Wohngruppe mit zwölf Plätzen am Bahnhof. Darüber hinaus sind elf Wohnungen im Rahmen des Betreuten Wohnens für Senioren ebenfalls am Bahnhof Waldkirch angemietet und weitervermietet. Gleiches gilt für weitere zwölf Wohnungen in Buchholz. Weitere 20 Wohnungen in Waldkirch an der Hindenburgstraße in Waldkirch sind angemietet und an Senioren weitervermietet. 59 Wohnungen an der Adresse Freiburger Straße 2 in Waldkirch stehen im Eigentum und sind vermietet. Und schließlich ist der St. Nikolai-Spitalfonds Eigentümer von 18 Wohnungen an der Heimeckerstraße 5 in Waldkirch, die primär von Beschäftigten bewohnt werden.