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Que(e)r durch die Emmendinger Innenstadt

Der Schlossplatz in Emmendingen am Samstag um kurz vor 14 Uhr. Mehr als 500 zumeist junge Menschen blicken auf eine kleine Bühne, die zwischen der Jüdischen Museum und dem Simon-Veit-Haus aufgebaut wurde. Viele tragen bunte Accessoires, verrückte Kostüme und laszive Dragqueen-Outfits. Zu sehen sind aber auch bekannte Emmendinger Gesichter in Zivilkleidung.

Als aus den Boxen dezent Musik erklingt, werden Fahnen geschwenkt und Plakate hochgehalten. Sprüche wie „Emmendingen ist bunt“, If being gay was a choice I’d be gayer“ oder „Liebe ist keine Ideologie – Hass schon! Mehr Regenbogen statt Reichsadler“ sind darauf zu lesen. Eine Dragqueen in Pumps und Strapsen wedelt extrovertiert mit ihrem Fächer. Gleich daneben beobachten der Sicherheits-Chef der Stadt Emmendingen Uwe Erhardt und einige Polizisten entspannt das Geschehen. Die Stimmung ist friedlich, gelöst und erwartungsvoll. Kaum jemand im Publikum hätte gedacht, dass Emmendingens erster CSD so gut besucht werden würde.

Organisiert hatte die Demo eine Gruppe aus der hiesigen Queer-Szene. Deren Mitglied „Funny“ erklärte in den Begrüßungsworten das Ansinnen. „Es ist uns wichtig, dass wir auch hier, abseits von Freiburg, so etwas auf die Beine stellen“, sagte sie. In größeren Städten gebe es eine sichtbare queere Szene, Angebote aller Art und Vernetzung zwischen den Gruppen. In Emmendingen und der Umgebung seien jedoch kaum solche Strukturen vorhanden. Dabei gebe auch hier queere Menschen. „Wir sind NachbarInnen, VereinskollegInnen, FreundInnen und Familie – wenig sichtbar und kaum vernetzt. Ist es nicht höchste Zeit, das zu ändern?“, fragte sie.

Aus dem Publikum erntete „Funny“ hierfür den ersten Beifall. Mit der Organisation eines CSD wolle man die hiesige Szene zusammenführen und ein Zeichen setzen. Schon vor Wochen sei aus diesem Grund eine Instagram-Seite ins Leben gerufen worden. Flugs habe man 100 Follower gehabt. Bei einem anschließenden ersten Orga-Treffen im Shamrock sei das ganze Hinterzimmer voll gewesen. „Dass nun so viele auf dem Schlossplatz sind, zeigt welches Potenzial die queere Community hier hat – ich frage mich gerade: wann war Emmendingen das letzte Mal so bunt?“, sorgte die Sprecherin für den nächsten Beifall.

Dass es bei der Demo nicht um Party, sondern um Politik gehen soll, bekräftigte „Funny“. Der Grund: Queerfeindlichkeit werde immer sagbarer. 2024 habe die Amadeu Antonius-Stiftung 55 Angriffe auf CSDs gezählt, 2025 seien es bis August schon 70 gewesen. „Und während wir uns Sorgen um unsere FreundInnen und unsere Sicherheit machen, fällt der Bundestagspräsidentin nichts Besseres ein, als einen persönlichen Feldzug gegen Regenbogenflaggen zu starten“, merkte sie an. Man könne es sich nicht mehr leisten, nur das zu feiern, was man erreicht habe, sondern müsse Stellung beziehen. Damit meine sie „nicht nur queere Menschen, sondern alle, denen eine freie gleichberechtigte und demokratische Gesellschaft wichtig ist“

Auf die Begrüßung folgte die Regenbogenrallye durch die Innenstadt. Aufgeteilt in vier Blöcke – dem Politik-Block, dem Fetisch-Block, dem bunten Block und dem Familienblock – zog der bunte Tross vom Schlossplatz aus an der Evangelischen Kirche vorbei, in Richtung Marktplatz, durch die Lammstraße, in Richtung Bahnhof, an der alten Stadtmauer entlang und durch die Landvogtei wieder zurück zum Ausgangspunkt. Je nach Block hörte man unterschiedliche Sprechchöre. Sie reichten von „Alerta, alerta, antifascista“ und „Free Maja“ über „Say it loud, say it clear, refugees are welcome here“ bis hin zu „We are here, wer are queer: out, loud, proud!“.

Der Umzug lief friedlich und trotz mehrere Engstellen geordnet ab. Zurück auf dem Schlossplatz ging das Bühnenprogramm bis um 17 Uhr weiter. Neben Redebeiträgen – unter anderem über die „Diskriminierung und Gefährdung queerer Lebensrealitäten und queerer Elternschaft“ – gab es Musik und vier Dragshows. Und weil das Wetter hielt, war die Verweildauer lange. Daniel Gorzalka