„Sitzen im selben Boot“: Reinbold-Mench warnt vor Konkurrenzdenken zwischen Gemeinden und Kreis
Sowohl im Kreistag als auch in den 24 Gemeinderäten des Landkreises laufen derzeit die Beratungen für den Haushalt 2026. Dabei ist die finanzielle Situation so dramatisch wie noch nie. Auf beiden Ebenen fehlt es an Geld, um überhaupt die Pflichtaufgaben erfüllen zu können.
Entsprechend richtet sich der Blick auf die Kreisumlage – also der jährlichen Abgabe, die die Städte und Gemeinden an den Landkreis entrichten müssen. Um den Kreishaushalt 2026 zu decken, wäre eigentlich eine Erhöhung des Hebesatzes von 32 auf 40,5 Punkte notwendig. In seiner Haushaltseinbringung letzte Woche schlug Landrat Hanno Hurth dem Gremium als Kompromiss nun 37 Punkte vor. Daraus würde sich ein ähnliches Defizit von „nur“ 17 Mio. Euro ergeben. Damit läge das Minus in einem ähnlichen Bereich wie 2025.
Dennoch, in den 24 Städten und Gemeinden würde eine Erhöhung die finanziellen Missstände verstärken. Mit Schweißperlen auf der Stirn rechnen die Kämmerer der Kommunen die möglichen Szenarien durch. In Emmendingen beispielsweise würde jeder Prozentpunkt das Defizit um eine halbe Million Euro steigen lassen. Vor dem Kreistag, der am 1. Dezember über den Hebesatz entscheidet, liegen schwierige Beratungen. Dem Gremium gehören zahlreiche Bürgermeister und örtliche Gemeinderäte an. Sie stehen vor einem Dilemma.
Abwägen muss auch Hannelore Reinbold-Mench. Sie ist einerseits Bürgermeisterin der Gemeinde Freiamt, anderseits Kreisrätin. Als Vorsitzende des Bürgermeister-Sprengels im Landkreis lud sie am Montag zu einem Pressegespräch ein. Darin warnte sie explizit vor einem Konkurrenzdenken zwischen Gemeinden und Kreis. „Es darf nicht um ein Feilschen um den Hebesatz gehen, sondern darum, dass die beiden kommunalen Ebenen einen gemeinsamen Weg finden müssen, um die Krise zu bewältigen“, sagte sie.
Ihre Botschaft goss Reinbold-Mench in ein Bild. „Die See ist rau und wenn es so weitergeht, dann wird unser kommunales Boot untergehen. Trotzdem sollte uns bewusst sein, dass Gemeinden und Kreis gemeinsam drinsitzen“, erklärte sie am Montag. Der Tanker mit dem Rettungsring – damit meinte sie Bund und Länder – sei zwar zu erkennen, aber weit weg. Dass aus Berlin und Stuttgart nun einmalige Zahlungen angekündigt wurden, verbessere die Situation nur kurzfristig. Für eine Rettung brauche es nachhaltige Veränderungen.
Die Vorsitzende rät, nicht den Fokus zu verlieren. Bund und Land hätten Gesetze verabschiedet, die dazu führten, dass die Kommunen immer mehr Pflichtaufgaben zu bewältigen hätten. Als Beispiel nannte sie die Kinderbetreuung, die die Gemeinden zu stemmen hätten, oder das Bundesteilhabegesetz, das im Grundsatz gut sei, dem Kreis aber horrende Aufgaben im Sozialbereich beschere. „Der Bund hat bestellt, aber nicht für die Finanzausstattung gesorgt“, weist Reinbold-Mench auf die Missstände in der Struktur hin.
Um die Pflichtaufgaben zu erfüllen, müssen die Kommunen mittlerweile an ihre Rücklagen. In vielen Fällen sind diese so weit ausgeschöpft, dass nur noch Kredite helfen. Auf der Ausgabenseite wiederum versucht man zu sparen – meist trifft es freiwillige Leistungen, die die Menschen vor Ort unmittelbar spüren. „Für politische Entscheidungsträger sind dies schwierige Entscheidungen. In Baden-Baden beispielsweise werden nun die vor zwei Jahren aufgestellten Hundekotbeutel wieder abgebaut“, sagte Reinbold-Mench.
Unterstützung erhielt die Vorsitzende von Waldkirchs OB Michael Schmieder. Auch er muss am 1. Dezember im Kreistag über den Hebesatz abstimmen. „Die Finanzsituation in den Kommunen ist seit Jahren angespannt – aber die Dimension, die wir jetzt haben, kann man als dramatisch bezeichnen“, stellte er fest. In Waldkirch gelte seit dem 22. Oktober eine Haushaltssperre. Für 2025 gebe es keine liquiden Mittel mehr. Die Stadt tätige nur noch Ausgaben, zu denen sie vertraglich und gesetzlich verpflichtet sei.
Schmieder verglich die Finanzsituation der Kommunen mit der eines Privathaushalts. „Normalerweise bestreitet eine Familie diejenigen Dinge, die sie zum Leben braucht, aus dem laufenden Betrieb“, so der OB. Dazu gehöre beispielsweise das regelmäßige Füllen des Kühlschranks. Für größere Investitionen wie Wohneigentum nehme man einen Kredit auf, für das Auto gebe es den Leasing-Vertrag. „Bei den Kommunen ist es mittlerweile so, dass Kredite notwendig sind, damit überhaupt was im Kühlschrank ist“, merkte er an.
Laut Schmieder seien die Gesamtsteuereinnahmen auf Bundesebene zwischen 2020 und 2024 von 740 auf 940 Mrd. Euro. gestiegen. „Es ist eigentlich viel Geld im System – aber als Staat bezahlen wir für Dinge, die wir uns nicht leisten können“, schließt er daraus. Es sei richtig, dass bedürftige Menschen unterstützt werden. Dennoch beobachte er in der Gesellschaft auch eine Vollkaskomentalität. Der Staat fördere und zu viele Menschen hielten die Hand auf. „Und ein Staat kann nicht jedem einzelnen Schicksal gerecht werden“, sagte er klar.
Reinbold-Mench wünscht sich mehr Kennedy-Mentalität. „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst“, zitierte sie den legendären US-Präsidenten. Kritik übte sie zudem an der Bürokratie. Das Geld werde von Berlin über Stuttgart an die Kommunen verteilt. Dabei gehe einiges an Mitteln verloren. Der Fehler liege nicht bei den Kommunen, sondern im System. Umso wichtiger sei es, „dass Gemeinden und Kreis zusammenarbeiten und gemeinsam Signale an das Land und den Bund senden“, so die Sprengel-Vorsitzende. „Es bringt nichts, wenn wir uns gegenseitig zerfleischen“, pflichtete Schmieder ihr bei. Daniel Gorzalka
