Viele Kiffer kommen mittlerweile freiwillig zur „emma“
529 Menschen aus dem Landkreis nahmen 2024 Kontakt zur Drogen- und Jugendberatungsstelle „emma“ auf. Bei fast der Hälfte blieb es nicht nur bei dem einen Gespräch. Die Zahlen zeigen: das Angebot in der Emmendinger Liebensteinstraße wird weiterhin stark nachgefragt.
Für Claudia K., Krankenpflegerin aus Emmendingen, war die „emma“ die Rettung. Ein alkoholanhängiger Vater hatte ihre Kindheit geprägt. Nach dem Tod ihrer Mutter fing sie 2013 an, zu kiffen. Aufgrund der Schwangerschaft mit ihrer Tochter hörte sie für eine Weile damit auf, fiel 2018 jedoch in ihr altes Suchtmuster zurück. Als berufstätige Mutter, die sich schon morgens ihre erste Tüte drehte, war Claudia irgendwann überfordert. Sie geriet in eine Spirale aus Drogenkonsum, Arbeitsstress, Konflikten mit ihrem Ehemann und Schuldgefühlen gegenüber dem Kind.
2023 fasste sich die damals 36-jährige ein Herz und ging zur „emma“. Nach den Beratungsgesprächen mit Leiter Marco Chiriatti und seinem Team konnte sie für sich einen klaren Abstinenzwunsch formulieren. Es folgten eine dreiwöchige Entgiftung im ZfP und eine sechsmonatige ambulante Reha bei der AGJ-Suchtberatung in Freiburg. Zur Nachsorge ging sie einmal pro Woche in die „emma“, die Tochter nimmt regelmäßig am Projekt „MAKS“ teil. Heute ist Claudia K. abstinent und hat ihren Alltag unter Kontrolle. Arbeiten macht ihr wieder Spaß. Vor allem aber ist sie zufriedener mit ihrem Leben.
Für die Drogen- und Jugendberatungsstelle ist Claudia K. ein typischer Fall. Insgesamt 529 Menschen traten 2024 mit der Einrichtung in Kontakt, 232 davon nahmen eine regelmäßige Beratung in Anspruch. Das sind 44 Prozent. Unter diesen Personen war Cannabis wie schon in den letzten Jahren die am meisten verbreitete Droge (95). „Das im April 2024 eingeführte Cannabisgesetz spüren wir kaum“, sagte Chiriatti beim jährlichen Pressegespräch letzte Woche. Die Legalisierung regle nur den Konsum im öffentlichen Raum. Nach wie werde Gras vor allem zuhause und im privaten Kontext konsumiert.
Laut dem Leiter habe das Gesetz lediglich den externen Druck gemindert. Die Zahl derjenigen, die von der Polizei oder einem Gericht zur „Emma“ geschickt werden, sei weniger geworden. „Dafür gibt es erstaunlich viele Kiffer, die freiwillig zu uns kommen“, ergänzte Mitarbeiter Martin Fischer. Entscheidend bei Cannabis sei nach wie vor die Dosis. „Gerade bei jungen Menschen, deren Hirne noch wachsen müssen, kann es irreversible Schäden auslösen”, erklärte Chiriatti. Das Gras von heute sei wesentlich potenter als früher. Dass Menschen, die ausschließlich gekifft haben, eine Therapie machen, gebe es erst seit zwei Jahrzehnten.
Hinter Cannabis folgten 2024 im Ranking die Opiate (78), Kokain (21), Alkohol (20), Stimulanzien (12), Medien (2) und Tabak (2). „Aktuell gibt es eine Kokainschwemme“, beobachtet Martin Fischer. Gerade in Freiburg gebe es „einige Leute, die deswegen nur schwer zu bändigen sind“. Auch Crack sei wieder da. Sorge bereite der „emma“ außerdem die Zunahme von E-Zigaretten und sogenannten „Vapes“. “Sie bergen ein extrem hohes Suchtpotenzial, dahinter steht eine absurde Industrie”, ergänzte Mitarbeiterin Hanna Schulte-Werning.
Am Beispiel Claudia K. verdeutlichte die „emma“ zudem die Wirkung ihrer Arbeit. „Die Investition in Suchtberatung kommt nicht nur den betroffenen Personen zugute, sondern allen Menschen“, ergänzte Marco Chiriatti. Der Leiter hob dabei auf die eingesparten Kosten ab – beispielsweise durch vermiedene Inobhutnahme, weniger medizinische Versorgung oder reduzierte Inanspruchnahme von weiteren sozialen Diensten ab. „Unserer Berechnung nach belaufen sie sich auf 60.000 Euro”, so Chiriatti. Dies sei ein starkes Argument für die weitere Unterstützung und Stärkung von Suchtberatungsangeboten.
Die Jugend- und Drogenberatungsstelle „emma“ gehört dem AGJ-Fachverband für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Freiburg an. Aktuell besteht sie aus fünf Mitarbeitern, die zusammen 3,3 Fachkraftstellen besetzen. In der Emmendinger Liebensteinstraße sowie in der Außenstelle in Waldkirch führten sie 2024 insgesamt 1.510 Gespräche. Dazu zählte auch die Beratung von 83 Angehörigen. Zudem gab es 48 Online-Beratungen. Aktiv waren Marco Chiriatti und sein Team zudem im Bereich der Prävention. Im vergangenen Jahr wurde 217 Schüler direkt erreicht.
Etwas Sorge bereitet den Mitarbeitern die finanzielle Zukunft. Rund 350.000 Euro kostet der Betrieb der „emma“ im Jahr. Nur etwa zwölf Prozent erwirtschaftet die Einrichtung selbst. 61 Prozent kommen als Zuschuss vom Landkreis Emmendingen, 16 Prozent vom Land und ein Prozent aus sonstigen Töpfen. Das Defizit von zwölf Prozent gleicht üblicherweise der AGJ-Fachverband aus. Somit hängt die „emma“ am Tropf kommunaler Zuschüsse. „Mit dem Landkreis stehen wir in guter Verbindung – von dort haben die Zusage bis Ende 2026“, sagte Chiriatti.
Bei der Suchtberatung handele es sich auf dem Papier um eine freiwillige Leistung ohne Rechtsgrundlage, jedoch gebe es wissenschaftliche Untersuchungen, dass dadurch Folgekosten erheblich reduziert werden. „Jeder Euro, der in diesen Bereich fließt, lohnt sich – eine Studie aus Bayern spricht vom Verhältnis 1:16“, so der Leiter. Die „emma“ sei für den kompletten Landkreis zuständig. Würde jede Kommune selbst eine Beratung anbieten, wäre teurer. „Ohne ein Angebot – und wenn nicht wir es machen, wer sollte es sonst tun?“ ist Chiriatti zuversichtlich. Daniel Gorzalka